Beständigkeit
ist auch
eine Vision
ALBRECHT FÖRSTER
UND STEFAN G. REUß
Beständigkeit
ist auch
eine Vision
ALBRECHT FÖRSTER
UND STEFAN G. REUß
In wirtschaftlich turbulenten Zeiten wie diesen kann im Finanzsektor die Beständigkeit zur Vision werden, davon sind Albrecht Förster, Vorstand Finanzen der ENTEGA AG, und Stefan G. Reuß, Geschäftsführender Präsident des Sparkassen- und Giroverbands Hessen-Thüringen, überzeugt.
In wirtschaftlich turbulenten Zeiten wie diesen kann im Finanzsektor die Beständigkeit zur Vision werden, davon sind Albrecht Förster, Vorstand Finanzen der ENTEGA AG, und Stefan G. Reuß, Geschäftsführender Präsident des Sparkassen- und Giroverbands Hessen-Thüringen, überzeugt.
Zwei Männer unterhalte sich und lächeln
Auch ein Banker darf Visionen haben, er sollte sogar Ideen haben, denn wenn er die nicht hätte, wäre es schwierig, den Blick auf die Zukunft auszurichten.“
Stefan G. Reuß
Zwei Männer unterhalten sich konzentriert miteinander

Herr Reuß, darf ein Banker, der es mit bloßen Zahlen und dem Vermögen anderer Menschen zu tun hat, überhaupt Visionen haben?

Stefan G. Reuß: Ja, auf jeden Fall. Auch ein Banker darf Visionen haben, er sollte sogar Ideen haben, denn wenn er die nicht hätte, wäre es schwierig, den Blick auf die Zukunft auszurichten.

Und welche Vision darf sich ein Finanzvorstand erlauben, Herr Förster?

Albrecht Förster: Als Finanzvorstand versuche ich mich naturgemäß eher auf messbare Visionen zu fokussieren. Ganz konkret bedeutet das nicht mehr und nicht weniger, als dass wir mit allen Geschäftsbereichen und Geschäftsfeldern der ENTEGA die gesetzten finanziellen Ziele sauber erreichen, dies jeweils auch ordentlich und frühzeitig kommunizieren und die finanzielle Entwicklung über das ganze Jahr hinweg genau verfolgen. Auch die Veränderungen externer Einflussfaktoren, die auf die wirtschaftliche Lage der ENTEGA einwirken können, werden eng gemonitort. Nur so können wir immer sicher sein, dass ENTEGA auf der richtigen Bahn ist, und können im Notfall nachsteuern.Es ist von Vorteil, wenn man frühzeitig wahrnimmt, das es im Getriebe knirscht.

Welche konkreten Visionen verfolgen Sie bei Ihrer Arbeit als Präsident für den Sparkassenverband und den deutschen Finanzplatz als solchen, Herr Reuß?

Stefan G. Reuß: Die Sparkassen wollen sich noch stärker digitalisieren und standardisieren. Wir wollen in der Sparkassenwelt mit einem einheitlichen Ansatz unterwegs sein, um mit unserer Geschäftsidee auch in Zukunft bestehen zu können. Nämlich auch mit Unterstützung der Technik regional verankert und nah am Kunden zu sein.

Herr Förster, welche wirtschaftlichen Visionen haben Sie in Bezug auf ENTEGA?

Albrecht Förster: Nun, wir haben ja unsere vier finanziellen Ziele, nach denen wir unser Handeln ausrichten. Und am Ende steht da meine Vision, dass es uns bei ENTEGA gelingt, die Nummer eins in Südhessen zu sein und zu bleiben, dass wir Kunden zu Fans machen und dass sich bei ihnen die Frage, von wem sie ihren Strom beziehen, wer für die Glasfaserleitung- und die Kommunikationsverbindungen verantwortlich ist, erst gar nicht mehr stellt, sondern das Motto „Aus der Region, für die Region“ mit zufriedenen Kunden und motivierten Mitarbeitenden gelebt wird.

Portrait von Albrecht Förster
Die Nähe zu Kunden ist und bleibt enorm wichtig, gerade in unserem digitalen Zeitalter, und wird von den Kunden auch gesucht.“
Albrecht Förster

Wie wichtig ist die physische Nähe zur Kundschaft in diesen digitalen Zeiten noch?

Stefan G. Reuß: Trotz aller digitalen Kommunikations­wege, sei es über Chatbots, Messenger oder Social Media, die wir auch anbieten, ist die persönliche Kommunikation nach wie vor eine wesentliche Grundlage in unserem Geschäft, und die leben wir natürlich auch. Viele Kunden suchen nach wie vor den persönlichen Kontakt zu ihrer Sparkasse, den unsere Institute selbstverständlich weiterhin gewährleisten. Dabei stellen wir fest, dass uns die Digitalisierung tatsächlich helfen kann, den persönlichen Kontakt zu intensivieren, zum Beispiel über die Online-Terminvereinbarung. Sie wird von der Kundschaft immer stärker genutzt, um ein persönliches Gespräch mit einem Berater zu bekommen. Das bestärkt uns darin, die Präsenz vor Ort aufrechtzuerhalten und weiterhin konsequent eine Multikanalstrategie zu verfolgen.

Albrecht Förster: Die Nähe zu Kunden ist und bleibt enorm wichtig, gerade in unserem digitalen Zeitalter, und wird von den Kunden auch gesucht. Wir haben im vergangenen Jahr den Bürgern in Südhessen die Möglichkeit offeriert, sich an der Finanzierung der größten städtischen Photovoltaikanlage in Darmstadt auf dem Stadiondach der „Lilien“ zu beteiligen. Das Interesse war sehr groß und das Volumen von einer Million Euro wurde schon vor dem Ende der Zeichnungsfrist erreicht. Solche Beteiligungen stärken die regionale Identifikation der Bürger mit ihrer Heimat und mit ihrem Energieversorger.

großer grüner Baum umgeben von hohen Gebäuden
Die Spitzen hoher Finanzgebäude vor einem blauen Himmel
Finanz-Hub: Im Haus des Sparkassen- und Giroverbands Hessen-Thüringen in Frankfurt bündeln sich Beratung, Standardisierung und Innovation für 48 regional verankerte Sparkassen. Hier werden digitale Lösungen und Multikanal-Strategien entwickelt, die den Kundenkontakt stärken und die Zukunft der Mittelstandsfinanzierung vorantreiben.
Wir sind der Mittelstandsfinanzierer schlechthin.“
Stefan G. Reuß

Werden Sie künftig häufiger auf die Finanzierung über solche Beteiligungsmodelle zurückgreifen?

Albrecht Förster: Das wäre durchaus denkbar, gerade auch um die regionale Verankerung der Energieversorgung in Südhessen weiter zu stärken. Aber diese Form der Finanzierung wird im gesamten Portfolio von ENTEGA nur eine Beimischung bleiben. Größere Projekte, wie beispielsweise den Ausbau der Glasfaserleitungen, sehe ich für Finanzierungen dieser Art weniger geeignet. Denn letztlich werden da Rohre unter der Erde verlegt, die man nicht sieht. Für jemanden, der sich finanziell an einem Projekt beteiligt, ist es aber wichtig, dass das Projekt sichtbar ist. Hinzu kommt die Frage des Risikos. Wenn Bürger an der lokalen Wind- und Solaranlage beteiligt sind, dann partizipieren sie unmittelbar daran. Wenn man aber ein Netz hat, das mit anderen Anbietern in Konkurrenz steht, denn ein Glasfasernetz beispielsweise kann theoretisch von einem anderen Wettbewerber überbaut werden, stellt sich die Frage, wer dieses Risiko trägt. Das würde ich privat, als Bürger meiner Stadt, nicht auf mich nehmen wollen.

Inwieweit erfüllen die Sparkassen den Auftrag, visionäre Geschäftsideen zu finanzieren, Herr Reuß?

Stefan G. Reuß: Das ist einer unserer elementaren Aufträge, denn wir sind der Mittelstandsfinanzierer schlechthin und diese führende Marktposition wollen wir weiter ausbauen. Deswegen ist unser klarer Auftrag, die Ideen, die in Start-ups oder in mittelständischen Unternehmen geboren werden, zu finanzieren und damit letztlich die Transformation der Wirtschaft voranzutreiben.

zwei Männer unterhalten sich in einem großen Konferenzraum
Insgesamt ist die Energiewende ein riesiges Infrastrukturprojekt, was uns noch über viele Jahre hinweg stark fordern wird.“
Albrecht Förster
zwei Männer unterhalten sich konzentriert miteinander

Investiert ENTEGA gezielt in Visionen beziehungsweise deren Verwirklichung?

Albrecht Förster: Absolut. Die großen Themen bei ENTEGA sind der Ausbau der Stromnetze und die Abkehr vom Kohlestrom hin zu Wind-, Wasser- und Solarenergie. Insgesamt ist die Energiewende ein riesiges Infrastrukturprojekt, was uns noch über viele Jahre hinweg stark fordern wird. Daher haben wir eine sehr langfristige Finanzstrategie und überprüfen immer wieder, ob bestehende Finanzierungen uns ausreichend Gestaltungsfreiheit zur Erreichung strategischer Zielrichtungen gewähren.

Welche Stakeholder sind aus Ihrer Sicht unverzichtbar, um die langfristigen finanziellen Ziele der ENTEGA zu erreichen?

Albrecht Förster: Das sind zunächst einmal unsere Aktionäre und unsere Konzessionskommunen, die direkt über Dividenden oder Konzessionsabgaben an der Ertragskraft des ENTEGA-Konzerns teilhaben. Wir treiben das Thema Daseinsvorsorge für die Bürger dort in den Gemeinden aktiv voran. Wir unterstützen lokal bei der Gestaltung der Energiewende. Ein belastbares Versprechen. Es ist wichtig, auch im politischen Raum verankert und vernetzt zu sein, unabhängig von der politischen Färbung, mit Ausnahme der einen Farbe vom rechten Rand. Dann ist es wichtig, auch das Vertrauen von Investorengruppen zu gewinnen, aber vor allem auch zu konservieren, und das schaffen wir durch offene Kommunikation. Wir sind sehr transparent gegenüber den Banken und Ratingagenturen. Es gibt größere Player, deren Finanzabteilungen viele Hochglanzbroschüren produzieren, aber wir machen das schnörkellos und ehrlich. Das kommt bei den Investoren besser an und schafft Vertrauen. Und last but not least sind natürlich die Kunden unverzichtbar. Wenn die nicht darauf vertrauen würden, dass wir unseren Job ordentlich machen, dass der Strom fließt, dass das Wasser aus der Leitung kommt, dann hätten wir unseren Unternehmenszweck aus dem Fokus verloren.

zwei Personen spielen miteinander Tisch-Fußball
Insbesondere in Deutschland müssen wir hart daran arbeiten, dass der Unternehmenssektor in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt.“
Stefan G. Reuß

Die Frage nach den Stakeholdern stellt sich bei einem Verband, wie Sie ihn repräsentieren, Herr Reuß, nicht. Aber Sie waren zuvor lange als Landrat in der Politik tätig. Worin unterscheidet sich das Verbandswesen in der Finanzwelt von der Landespolitik?

Stefan G. Reuß: Ganz so verschieden ist das gar nicht. Es gibt auch in meiner jetzigen Tätigkeit viele Bezugspunkte zu den Kommunen, zur Kommunal- und Landespolitik. Sparkassen sind öffentlich-rechtliche, kommunal getragene Institute. Das Sparkassenrecht wird in den einzelnen Bundesländern geregelt. Daher ist auch der regelmäßige Austausch mit der Politik so essenziell. Bei diesem Austausch geht es zurzeit auch um so wichtige Fragen, wie die Politik den oftmals geforderten Abbau der Bürokratie ganz konkret in die Realität umsetzen kann. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf. Denn wir müssen durch einen mutigen Bürokratieabbau endlich zu einem Regelungs- und Verwaltungsrahmen kommen, der gerade kleinen Finanzinstituten die Luft zum Atmen und in der Realwirtschaft den Menschen und Firmen wieder Raum und Mut für Innovationen lässt.

Albrecht Förster: Davon bin ich ebenfalls überzeugt. In der Finanzabteilung eines Unternehmens machen Berichts- und Offenlegungspflichten durchaus Sinn und haben ihre Berechtigung. Aber was die schlankere Gestaltung von Genehmigungs- und Antragsprozessen angeht, besteht Optimierungspotenzial.

Stefan G. Reuß: Insbesondere in Deutschland müssen wir hart daran arbeiten, dass der Unternehmenssektor in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt. Die Sparkassen sind die großen Unterstützer, wenn es darum geht, auch Neugründungen von Unternehmen zu finanzieren. Wir richten beispielsweise auch den Gründerpreis in Deutschland aus. Aber es muss auch mehr in die Köpfe investiert werden, damit möglichst viele Ideen, wir können auch von Visionen reden, die viele junge Menschen haben, in die Tat umgesetzt werden können. Da wäre es auch wünschenswert, wenn manche Abläufe und Genehmigungsverfahren in ihrem zeitlichen Bedarf deutlich reduziert würden.

Inwieweit haben die Sparkassen ihre eigenen Prozesse bereits digitalisiert?

Stefan G. Reuß: Wir sind da gut unterwegs. In der Sparkassen-Finanzgruppe versuchen wir im Feld der Digitalisierung mit einem möglichst hohen Standardisierungsgrad zu arbeiten, der von unserem Rechenzentrum, der Finanzinformatik, umgesetzt wird. Ein Beispiel, bei dem das sehr gut funktioniert, ist die sogenannte Internet-Filiale für das Online-Banking oder die App „Sparkasse“, die regelmäßig als beste Banking-App in Deutschland ausgezeichnet und von unserer Kundschaft von der Nordsee über Südhessen bis zum Bodensee eingesetzt wird.

Im Finanzbereich besteht die Vision tatsächlich darin, immer gut ausgewogen und sicher auf den Beinen zu stehen.“
Albrecht Förster
Zwei Personen laufen gemeinsam eine Straße entlang

Trotz aller Digitalisierung wird sich am Geschäftsmodell der Sparkassen also wenig ändern?

Stefan G. Reuß: So ist es. Wir sind sehr klar davon überzeugt, dass wir genau das richtige Geschäftsmodell haben und eben durch unsere Regionalität so dicht am Kunden sind wie keine andere Finanzgruppe in der deutschen Kreditwirtschaft.

Worin liegt da das Visionäre?

Stefan G. Reuß: Manchmal ist halt auch das, was manchen als überholt gilt, schon wieder visionär. Sparkassen haben eine klare Vorstellung davon, in welchen Bereichen ein Wandel erforderlich ist. Wir wissen aber auch sehr genau, welche bewährten Faktoren wir auf keinen Fall verändern möchten: Das sind unsere regionale Verankerung, die Präsenz vor Ort und die Nähe zu den Menschen. Das Visionäre liegt also vor allem darin, ein mehr als 200 Jahre altes, erfolgreiches Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten und unter anderem über das Hilfsmittel Digitalisierung für die Zukunft abzusichern und weiterzuentwickeln.

Albrecht Förster: Im Finanzbereich besteht die Vision tatsächlich darin, immer gut ausgewogen und sicher auf den Beinen zu stehen. Eine solche solide Beständigkeit ist die Vision, die ich mit meiner Arbeit verfolge. Und zwar dergestalt, dass unvorhergesehene Zwischenfälle wie eine Pandemie oder geopolitische Ereignisse wie der Ukraine-Krieg oder politisch motivierte Preisturbulenzen an den Finanzmärkten das Unternehmen nicht gleich aus der sicheren Bahn werfen können, weil das Unternehmen finanziell sicher und solide aufgestellt ist und bei aufkommendem Wind nicht gleich ins Wanken gerät.

Herr Reuß, Herr Förster – vielen Dank für das Gespräch.