AN UNSERE
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Vorwort von Dr. Marie-Luise Wolff
VORWORT
DR. MARIE-LUISE WOLFF

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

in meiner Schulzeit war ein sogenannter Sponti-Spruch weit verbreitet. Er fand sich des Öfteren als Graffito an Hauswänden oder eingeritzt in die Schulbank und er lautete: „Du hast keine Chance. Nutze sie!“

Mir hat das immer gut gefallen. Denn der Spruch hält ja auf interessante Weise die Waage – zwischen radikal-kritischem Zweifel einerseits und positiver Hoffnung andererseits. Damals, in Zeiten der ersten Ölkrise, ging es bei den trüben Aussichten auf Chancen vor allem um die Frage, wie gut es gelingen würde, einen vernünftigen Arbeitsplatz zu finden. Über die Chancen für unseren Planeten hingegen dachten nur die besonders gut Informierten nach.

Heute sagt uns der Weltklimarat in seinem jüngsten Bericht zur globalen Erwärmung: Die Chance, das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen, haben wir ziemlich sicher verpasst. Aber er sagt auch: „Wenn wir jetzt handeln, können wir immer noch eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle sichern.“

Und er macht darauf aufmerksam, dass es finanziell immer günstiger wird, diesen Weg zu gehen. Von 2010 bis 2019 sind demnach bei der Solarenergie die Kosten pro Einheit um 85 Prozent, bei der Windenergie um 55 Prozent und bei Lithium-Ionen-Batterien um 85 Prozent gesunken.

Im selben Zeitraum hat der Einsatz von Solarenergie um das Zehnfache und die Zahl der E-Fahrzeuge um mehr als das 100-Fache zugenommen. Ziel muss es laut Weltklimarat sein, auf diesem Weg weiterzugehen und schnellstmöglich CO2-neutral zu werden.

Diesem Ziel hat sich auch ENTEGA verpflichtet – und mit 0,8 Milliarden Kilowattstunden Öko-Strom 615.481 Tonnen CO2 eingespart, verglichen mit einer konventionellen Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern. Erneut war ENTEGA damit einer der größten Anbieter von erneuerbarer Energie in ganz Deutschland. Der TÜV Süd hat ENTEGA deshalb als einen von bundesweit zwei Energieversorgern und als einzigen Versorger im Rhein-Main-Gebiet zum wiederholten Mal als „Wegbereiter der Energiewende“ ausgezeichnet.

Auch wirtschaftlich macht sich dieser konsequente Kurs Richtung Nachhaltigkeit bezahlt. Unser Umsatz stieg 2022 deutlich von mehr als zwei auf über drei Milliarden Euro, also ein Plus von rund 50 Prozent. Auch beim Gewinn vor Steuern ergab sich mit 90,7 Millionen Euro (Vorjahr: 80,4 Millionen Euro) ein beachtlicher Zuwachs von fast 12,5 Prozent. Unter dem Strich hat ENTEGA einen Jahresüberschuss in Höhe von 35,8 Millionen Euro (Vorjahr: 28 Millionen Euro) erwirtschaftet – eine Steigerung von fast 27 Prozent.

,,Wenn wir uns verändern wollen, kann nicht zugleich alles bleiben, wie es ist."
Dr. Marie-Luise Wolff Dr. Marie-Luise Wolff
Vorsitzende des Vorstandes

Dieser Erfolg dient uns nun als Fundament für weitere Anstrengungen in Richtung Klimaneutralität. Bis spätestens Ende des Jahrzehnts – wahrscheinlich aber schon früher – wollen wir den gesamten privaten Strombedarf der Region mit Erneuerbaren decken. Dazu müssen wir mithilfe von Wind, Sonne und Biogas ein Terrawatt produzieren – ein Ziel, das wir nur gemeinsam mit den Menschen in der Region erreichen können und wollen. Deshalb bleiben wir unseren regionalen Wurzeln treu und verstehen uns als der „Ökoenergie-Anbieter“. Nur so kann die neue Welt der nachhaltigen und dezentralen Energieversorgung funktionieren: Durch viele Tausend Menschen, die mitmachen und im doppelten Sinne vernetzt sind. Durch Strom- und Wärmeleitungen, aber auch durch schnelle Datenverbindungen. Wenn wir wissen, wo zu welchem Zeitpunkt und zu welchem Zweck wie viel Strom benötigt wird, können wir Energie viel gezielter und effizienter bereitstellen.

Das ist wichtig, denn mit der Energiewende wird auch der Strombedarf steigen. Zum einen im privaten Sektor, weil immer mehr Menschen die Batterie ihres Elektroautos aufladen oder die elektrische Wärmepumpe betreiben werden. Aber auch in der Industrie: Allein die Chemie-Industrie wird bis Mitte der 2030er-Jahre rund zehnmal mehr Energie benötigen als derzeit, was bedeutet: Sie braucht dann mehr als heute das gesamte Land!

Um diesen Bedarf decken zu können, kommt es nicht nur auf Solarmodule und Windräder an, sondern auch auf leistungsstarke und digital gesteuerte Netze.

Denn: Würden heute in einer Stadt wie Darmstadt alle berufstätigen Autobesitzer zwischen 17 und 18 Uhr ihre E-Autos an Stromtankstellen anschließen, wäre das Netz damit deutlich überlastet. Wichtig wird es deshalb sein, dass Energieversorger wie ENTEGA bzw. die e-netz Südhessen als Netzbetreiber zum einen neue Netzkapazitäten schaffen, zum anderen müssen sie aber auch die vorhandenen Kapazitäten besser steuern können. Dazu brauchen sie Zugriff auf die Abnahmestellen und müssen im Falle erwartbarer Belastungsspitzen auch einmal die Strommengen reduzieren, die der Einzelne entnehmen kann. Nur so kann das Netz als Ganzes einwandfrei funktionieren.

Auch Kritik, Bedenken und Protest, die dagegen mitunter erhoben werden, müssen das berücksichtigen: Bis es möglich ist, einen vielfach höheren Energiebedarf landesweit allein aus Erneuerbaren zu decken, werden noch einige Jahre vergehen. Bis dahin kommen wir ohne flexibel gesteuerte Netze nicht aus. Und: Selbst wenn gesteuert geladen werden muss, steht das E-Auto auf jeden Fall am nächsten Morgen vollständig geladen vor der Tür. Nur WANN der Ladevorgang mit welcher Leistung abläuft, kann der Netzbetreiber in Grenzen „koordinieren“.

Dass jedoch selbst diese Aussicht in einigen Teilen der Öffentlichkeit sowie in Teilen der Autoindustrie bereits zu heftigen Diskussionen führt, zeigt: Um den Klimawandel auf der Erde zu stoppen, brauchen wir zunächst einen gesellschaftlichen Klimawandel.

,,Für die Energiewende brauchen wir stabile und flexibel steuerbare Netze.“

Dabei muss im Zentrum die Erkenntnis stehen: Wir können uns nicht gleichzeitig verändern und zugleich alles so lassen, wie es bisher ist. Hier und da wird man Abstriche am gewohnten Komfort hinnehmen müssen. Abstriche, die aber weit eher zu verkraften sind als diejenigen, die wir zu erwarten haben, wenn es uns nicht gelingt, den Klimawandel zu stoppen.

Ermutigend ist, dass die Folgen des Ukraine-Krieges gezeigt haben: Wenn es darauf ankommt, sind die Menschen durchaus bereit, ihr Verhalten zu ändern. Insgesamt knapp 18 Prozent weniger Gas wurden im zurückliegenden Winter aufgrund der Russland-Sanktionen in Deutschland verbraucht. Sicher hat dazu auch ein vergleichsweise warmer Winter beigetragen. Aber auch Industrie, öffentliche und private Verbraucher haben ihren Beitrag geleistet.

Das stimmt immerhin optimistisch für die Zukunft, denn es zeigt: Viele Menschen haben verstanden, dass wir die Energiewende nur gemeinsam schaffen können und dass dabei jeder Beitrag zählt – eine Haltung, die sich im Übrigen auch auf anderen Gebieten zeigt.

Die ENTEGA-Stiftung zum Beispiel hat 2022 wieder zahlreiche gemeinwohlorientierte Projekte unterstützt, die von engagierten Bürgerinnen und Bürgern vorangetrieben werden. Sie setzen sich mit großem Elan für andere ein. Und auch bei ENTEGA selbst haben über 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz unmittelbar ihr Bestes gegeben, um die Energiewende in Deutschland voranzubringen.

Ihnen danke ich deshalb im Namen des gesamten Vorstands von ganzem Herzen. In einer Zeit großer Veränderungen, die immer wieder auch unsere eigene Organisation betreffen, haben Sie ein hohes Maß an Flexibilität bewiesen. Ihre Ideen und Initiativen sind die Voraussetzung dafür, dass ENTEGA mit Innovation und Kreativität dazu beiträgt, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Und dass wir – gemeinsam mit unseren Kundinnen und Kunden – die Chancen entschlossen nutzen, die uns bleiben.

Unterschrift Dr. Marie-Luise Wolff

Dr. Marie-Luise Wolff

Vorsitzende des Vorstandes