Es
bewegt
sich was
ALBRECHT FÖRSTER
UND ANDREAS RACHOR
Handeln für den Klimaschutz – wie funktioniert das in der Finanzbranche? ENTEGA-Finanzvorstand Albrecht Förster spricht mit dem Vermögensverwalter Andreas Rachor, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der PRISMA Investment GmbH mit Sitz in Frankfurt, darüber, wie aktive Investoren ihren Einfluss auf Unternehmen geltend machen und wie Unternehmen ihre Finanzen nachhaltiger gestalten können.
Wir haben erfolgreich Kapital für unseren Wachstumskurs akquiriert.“
Albrecht Förster

Herr Rachor, inwieweit können Sie als Portfoliomanager an den Finanzmärkten handeln und damit einen Beitrag zum Klimaschutz/zur Klimawende leisten?

Andreas Rachor: Wir achten sehr darauf, in welche Geschäftsmodelle wir investieren und vor allem, in welche Geschäftsmodelle wir nicht investieren. Branchen wie Rüstung, Glücksspiel, Alkohol, Tabak, Atomkraft etc. kommen beispielsweise nicht in Frage. Bei Staatsanleihen kaufen wir keine Anleihen von Ländern, die nach dem Freedom House Index als unfreie Länder klassifiziert sind, wie zum Beispiel Russland und die Vereinigten Arabischen Emirate. Im zweiten Schritt steigen wir dann in die Prüfung der einzelnen Geschäftsmodelle ein und versuchen, diejenigen Unternehmen herauszufiltern, die in Sachen Nachhaltigkeit, gemessen an den Kriterien Umwelt, Soziales und Führung (ESG), das beste Rating haben. Dafür arbeiten wir mit der Ratingagentur MSCI zusammen, weil wir diese Daten nicht selbst erheben können.

Denken Sie, dass dieser Ansatz Unternehmen tatsächlich zum Handeln in Richtung mehr Nachhaltigkeit bewegt?

Andreas Rachor: Die Unternehmen sind durchaus bestrebt, ein hohes ESG-Rating zu erhalten, da sie sonst aus unserem und vielen anderen ESG-orientierten Anlageuniversen herausfallen. Wenn wir die Ausschluss- und ESG-Filter anwenden, reduziert sich das Anlageuniversum sehr stark, teilweise um bis zu 75 Prozent. Was uns als Investoren vor die Schwierigkeit stellt, mit solch einem limitierten Universum eine sinnvolle Risikodiversifikation des Portfolios zu erreichen und positive Renditen für unsere Kunden zu erwirtschaften.

Herr Förster, ENTEGA ist ein nachhaltig orientiertes Unternehmen und Sie gestalten auch die Finanzen nachhaltig. Welchen Spielraum haben Sie da und welche Instrumente haben Sie zur Verfügung?

Albrecht Förster: Die besondere Herausforderung ist, dass wir bei ENTEGA ein sehr umfangreiches Wachstumsprogramm vor der Brust haben und dafür eine nachhaltige Finanzierung notwendig ist. Die Themen sind sehr eng mit Klimaschutzthemen verknüpft, wie beispielsweise der Ausbau der Stromnetze und der Wandel weg von Gas und klimaschädlichem Kohlestrom hin zu erneuerbaren Energien z. B. Wind, Solar und Wasserkraft. Zur Finanzierung dessen bedienen wir uns vieler Finanzinstrumente, die am Markt verfügbar sind. Das können bilaterale Kreditlinien sein, die wir mit Banken verhandeln, das können Schuldscheintransaktionen sein. Aktuell haben wir einen Konsortialkredit neu aufgelegt und dabei das Volumen signifikant erhöht.

In welchen Finanzierungshöhen bewegt sich ENTEGA da?

Albrecht Förster: Wir haben über den Mittelfristzeitraum hinausgehend Investitionen größer einer Milliarde Euro, die finanziert werden müssen.

Gutes Geld: Wie nachhaltige Finanzanlagen konkrete Veränderungen für das Gemeinwohl anstoßen können, besprachen ENTEGA-Vorstand Albrecht Förster und Investmentexperte Andreas Rachor auf dem Gelände der Stiftung Hofgut Oberfeld in Darmstadt.
Das Interesse der Investoren an nachhaltigen Anlageformen wird weiter steigen.“
Andreas Rachor

Da fällt der Schuldschein über 50 Millionen Euro, den ENTEGA im Jahr 2023 erfolgreich platziert hat, nicht stark ins Gewicht ...

Albrecht Förster: Das war ein mutiger Schritt, wir sind einer der ersten Regionalversorger, der in jüngerer Zeit in den Zeiten der Russland-Ukraine-Krise mit einer solchen Transaktion an den Markt gegangen ist. Und das auch noch bei hohen Unsicherheiten im Energiemarkt. Doch die Transaktion wurde ein voller Erfolg: Wir wollten 50 Millionen mit dem Schuldschein aufnehmen, es wurden dann aber 150 Millionen. Die Emission war mehrfach überzeichnet, weil wir ein robustes Geschäftsmodell dahinter haben. ENTEGA hat eine solide Wachstumsplanung ausgearbeitet und wir haben auch 2023 wieder einen sehr guten Jahresabschluss vorgelegt. Das nutzen wir, um möglichst viel Kapital einzusammeln und die anstehenden grünen Wachstumsinvestitionen zu finanzieren. Von daher zeigt sich, dass sich mutiges Handeln durchaus auszahlt.

Sind weitere solcher Transaktionen geplant oder sind die Kapitalmarktzinsen aktuell zu hoch?

Albrecht Förster: Wir beobachten ganz genau, wie sich die Zinsen entwickeln werden. Die Zinswende scheint in den USA und möglicherweise auch in Europa ein Stückchen weiter nach hinten zu rutschen. Dennoch glaube ich, dass ein robustes Geschäftsmodell auch mit den jetzt erforderlichen Kapitalmarktzinsen finanzierbar ist. Denn vier bis fünf Prozent Zinsen auf Fremdkapital sollte ein gesundes Unternehmen erwirtschaften können. Aus dem Grund planen wir auch in der zweiten Jahreshälfte 2024 eine weitere Transaktion, möglicherweise gehen wir wieder mit einem Schuldschein an den Markt. Daneben sind wir mit einigen Häusern aktuell dabei, bilaterale Kreditlinien weiter zu verlängern. Die Idee ist, bei der Neuauflage des Konsortialkredits ebenso wie bei neuen Kreditlinien erstmalig eine Rendezvous-Klausel zu vereinbaren. Damit integrieren wir ESG-Kriterien, um die Transaktionen grün zu gestalten.

Konsequenz und klare Haltung – so kann sich das System auf lange Sicht verbessern.“
Albrecht Förster

Zählen zu den Instrumenten, die Sie als Investor am Kapitalmarkt nutzen, auch Green Bonds, Herr Rachor?

Andreas Rachor: Ja, Green Bonds sind ein klassisches Anlageinstrument für uns, allerdings erkennt man daran auch wieder unseren Zielkonflikt. Bei den ersten Green Bonds waren die Zinsen etwas geringer als bei normalen Bonds, aber wir haben den Auftrag, für unsere Kunden möglichst hohe Renditen zu erwirtschaften. Zum Glück hat sich dieser Renditeabschlag bei den Green Bonds mittlerweile nivelliert. Was auch damit zu tun hat, dass das Thema am Kapitalmarkt im Moment etwas aus der Mode ist. Aber das Interesse der Investoren ist grundsätzlich vorhanden und wird sich auch wieder verstärken, weil auch der Druck von der Kundenseite nach wie vor da ist.

Nehmen Sie auch direkten Einfluss auf die Unternehmensführung, im Sinne eines Impact Investing?

Andreas Rachor: Das tun wir, denn als aktiver Investor können wir über Gespräche mit den Unternehmen viel erreichen. Die PRISMA ist jedoch eine kleine Investmentboutique und weit davon entfernt, eine internationale Unternehmung beeinflussen zu können. Es gibt allerdings große Investoren, die vermehrt ihren Einfluss in den Geschäftsführungen der Unternehmen geltend machen. Der Druck, der dadurch aufgebaut wird, zeigt vielerorts schon Wirkung.

Albrecht Förster: Auch ENTEGA ist kein großer Player. Selbst Deutschland ist im internationalen Vergleich eher klein, aber ich glaube, mit einer klaren Haltung und konsequentem Handeln kann man durchaus erreichen, dass Systeme sich verbessern.

Themen wie die Sorgfaltspflicht für die eigenen Lieferketten und der Trend der De-Globalisierung stehen ja auch auf der Liste von Handlungen, die zu einer Entlastung des Klimas führen könnten.

Albrecht Förster: Das ist ein langer Weg. Und nicht unproblematisch. Ich frage mich zum Beispiel, ob sich alle der Konsequenzen einer De-Globalisierung bewusst sind. Denn so etwas kann langfristig zu Wohlstandsverlusten führen und zu höheren Preisen. Doch meine Überzeugung ist auch: Es geht schon auch um das Verhalten der Einzelnen. Denn was nutzt es, wenn die Unternehmen und die Finanzindustrie sich bewegen, während weiterhin jeden Tag hunderttausende Päckchen in China bestellt und nach Deutschland eingeflogen werden – weil es für den Einzelnen billiger ist.

Andreas Rachor: Alle Verbraucher sollten sich genau überlegen, wie sinnvoll es ist, immer das günstigste Produkt zu erwerben mit all den Themen, die dranhängen: Lieferketten mit Ausbeutung, der Energieverbrauch, der Transport. Aber es betrifft auch das Thema Recycling oder die Tendenz, defekte Dinge einfach wegzuwerfen, anstatt sie zu reparieren.

De-Globalisierung ist eine Herausforderung für Wachstum und Wohlstand.“
Albrecht Förster

Viele Konsumenten könnten sich sauber hergestellte Produkte aber nicht leisten, und viele verstehen nicht, dass sie den Hebel in der Hand haben, wenn es doch die Entwicklungsländer sind, die den meisten Dreck in die Atmosphäre blasen.

Albrecht Förster: Mit einer solchen Haltung, wo jeder auf den nächsten zeigt, werden wir nichts bewegen. Irgendwer muss anfangen und in Deutschland haben wir ja auch bereits gehandelt und viel erreicht. 2023 sind die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 10 Prozent gesunken, was einer Reduktion von 46 Prozent im Vergleich zum internationalen Referenzjahr 1990 entspricht. Das ist doch schon eine Menge und viele weitere Einsparmöglichkeiten werden geplant und ausprobiert.

Andreas Rachor: Ich würde es jetzt auch nicht so negativ sehen. Deutschland wird in der Welt als Vorreiter in Sachen Klimawende wahrgenommen. Und hoffentlich können wir auch noch ein paar hilfreiche Technologien entwickeln und die dann global auf den Markt bringen. Insgesamt sind wir ganz gut unterwegs.

Wir haben in Sachen Klimaschutz schon viel geschafft und sind auf dem richtigen Weg.“
Andreas Rachor

Stichwort Technologie und Innovation: Wie finden und nutzen Sie solche Opportunitäten, Herr Rachor?

Andreas Rachor: Für gute Produkte oder neue Geschäftsmodelle ist genug Kapital im Markt vorhanden, aber es gab leider relativ wenig Börsengänge (IPO) in den letzten Jahren. Vor kurzem hat mit Nucera wieder einer stattgefunden, es handelt sich dabei um den Spin-off der Wasserstoffsparte von Thyssenkrupp. Das IPO ging innerhalb kürzester Zeit über die Bühne und daran sieht man: Kapital an sich ist nicht das Problem. Es mangelt eher an Unternehmen, die mit ihren Ideen den Schritt an die Börse wagen und sich den dortigen Berichts- und Offenlegungspflichten unterwerfen.

Es braucht also mehr Innovation und mehr Mut. Können wir damit die Transformation der Wirtschaft vorantreiben und die gesteckten Ziele im Zeitplan erreichen?

Albrecht Förster: Wir müssen dem Umbau der Infrastruktur eine angemessene Zeit geben. Die Infrastruktur in Städten ist eng, aber wir brauchen Raum, um die Stromleistungen zu verstärken oder um das Fernwärmenetz auszubauen. Wir brauchen mehr Fläche, aber vor allem auch ein größeres Verständnis dafür, dass es sich um einen langfristigen Prozess handelt. Eine politisch motivierte Verkürzung von Umsetzungsfristen macht dabei wenig Sinn. Die Zukunft wird so oder so ganz anders sein, als wir sie uns heute vorstellen. Deshalb sollten wir jetzt erst einmal die ersten Schritte gehen und dann schauen, was wir damit erreicht haben, welche neuen technologischen Möglichkeiten es gibt, und danach gegebenenfalls den Masterplan adjustieren – das ist doch die Kunst bei jedem langfristigen Investitionsprojekt.

Herr Rachor, Herr Förster – vielen Dank für das Gespräch.