Tempo
allein
ist keine
Lösung
THOMAS SCHMIDT
UND SUSANNE HAUS
Wenn Handeln zum gewünschten Ziel führen soll, muss dieses Ziel klar formuliert und kommuniziert sein – und mit konkreten Maßnahmen unterlegt werden. Das gilt auch für die Energiewende im Gebäudebereich. Umso wichtiger ist eine kompetente Beratung, kombiniert mit praktischem Know-how – wie die erfolgreiche Kooperation der ENTEGA mit der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main beweist.
Wir im Handwerk handeln jeden Tag – wenn man uns lässt.“
Susanne Haus

,,Handwerk“. ,,Handeln“. Da gibt es ja nicht nur eine sprachliche Verwandtschaft, Frau Haus. Was geht Handwerkern so durch den Kopf, wenn sie – zum Beispiel im Zusammenhang mit der Energiewende – hören: ,,Wir müssen endlich ins Handeln kommen“?

Susanne Haus (lacht): Die denken: ja, klar. Und: Das tun wir doch schon den ganzen Tag! Wenn Handwerker ein Problem erkennen, dann wird sofort nach Lösungen gesucht. Wir handeln jeden Tag – wenn man uns lässt.

Und trotzdem hört man auch aus dem Handwerk Klagen.

Susanne Haus: Ja, weil natürlich noch viel mehr in Bewegung sein könnte, wenn die Rahmenbedingungen besser wären. Sie haben die Energiewende erwähnt. Da gibt es viel zu tun – vom Windrad über den Netzausbau bis zur Wärmepumpe. Aber diese Wende können wir nur schaffen, wenn junge Menschen die Attraktivität und Sinnhaftigkeit des Handwerks erkennen und wir wieder mehr Fachkräfte aufbauen können. Wir brauchen, gerade für die Wärmewende, clevere Leute. Aber wenn Sie heute mit jungen Meistern darüber sprechen, ob sie Lust haben, sich mit einem eigenen Betrieb selbstständig zu machen oder die Nachfolge der Eltern anzutreten, dann winken viele leider ab. Und zwar nicht, weil sie befürchten, dass es an Aufträgen mangeln könnte. Sondern, weil sie befürchten, dass sie es weniger mit Holz, Steinen oder Kupferrohren zu tun bekommen, sondern vor allem mit immer mehr Papierkram, mit Bürokratie. Aber wer sich fürs Handwerk entscheidet, der will in die Werkstatt. Nicht ins Büro.

Was bedeutet der Mangel an Handwerkern für ein Unternehmen wie ENTEGA?

Thomas Schmidt: Derzeit kommen wir mit unseren Projekten im Großen und Ganzen gut voran. Aber wenn man sich die Ausbauziele für die erneuerbare Energieerzeugung oder auch für die Strom-Wärmenetze anschaut, dann muss man sagen: Wir laufen da angesichts von demografischem Wandel und Fachkräftemangel absehbar in Engpässe, die uns bei der Energiewende deutlich ausbremsen können, wenn nichts geschieht.

Susanne Haus: Das kann ich bestätigen. Auch mit Blick auf die gesetzlichen Anforderungen, die sich laufend ändern. Weder die Handwerksbetriebe noch deren Kunden haben in Sachen Energiewende derzeit ausreichend Planungssicherheit und Klarheit. Dieser Mangel an Verlässlichkeit sorgt bei den Kunden für Verunsicherung und Zurückhaltung. Denn wenn es an der Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen mangelt, dann wird die Umsetzung von Maßnahmen behindert. Die Menschen fühlen sich nicht mitgenommen, und bevor sie etwas „Falsches“ machen, tun sie zunächst nichts oder sie halten an „Bewährtem“ fest und stehen Innovationen ablehnend gegenüber.

Thomas Schmidt: Und das gilt nicht nur für die zahlreichen Änderungen bei den Gesetzen. Es gilt auch für die Ambition, mit der viele Gesetze und Verordnungen rund um die Energie derzeit auf den Weg gebracht werden. Ambitionierte Ziele sind wichtig. Aber die Wahrscheinlichkeit, sie zu erreichen, sinkt in dem Maße, in dem damit de facto eine Überforderung verbunden und Nichterreichung der Status quo ist. Bei der Förderungspolitik etwa gilt zu oft das Prinzip „Ganz oder gar nicht“. Wenn Sie beim Heizen oder beim Dämmen nicht direkt die Hundertprozentlösung realisieren, gehen Sie leer aus. Da fragt man sich: Warum belohnt man nicht auch die, die immerhin 80 Prozent erreichen? Denn die Alternative ist ja, dass sich ein Hausbauer sagt: „Die Kosten für die Hundertprozentlösung sind mir zu hoch, da lasse ich es lieber ganz.“ Das hilft dem Klima dann aber leider zu null Prozent.

Aber kommt der Druck Richtung hundert Prozent wirklich aus der Gesetzgebung? Oder kommt er nicht vielmehr aus den Tatsachen der Klimakrise? Wir haben ja nicht beliebig viel Zeit, um die Folgen des Klimawandels noch zu begrenzen?

Thomas Schmidt: Das ist einerseits richtig. Aber andererseits nutzt es eben nichts, wenn man immer nur mehr Tempo anmahnt und glaubt, dass sich das durch immer anspruchsvollere Ziele quasi automatisch einstellt. Denn kommt man am Ende schneller voran, wenn man unrealistische Ziele setzt? Ich fürchte, dass wir mit dem jetzigen Prinzip in zehn oder fünfzehn Jahren bei einer Zielerreichung von vielleicht nur 50 bis 60 Prozent landen, weil wir die Leute überfordern. Würden wir uns hingegen für den Moment auch mal mit 80 Prozent zufriedengeben bzw. ausschließlich auf die Maßnahmen mit dem höchsten Impact auf den CO2-Ausstoß konzentrieren, würden wir unter dem Strich mehr erreichen.

Susanne Haus: Aber leider bestimmt ja häufig nicht der Realismus des Machbaren die Agenda, sondern die Ideologie des Wünschbaren. Mir wäre es auch lieber, wir würden bestimmte Ziele bei der Begrenzung von CO2-Emissionen ein paar Jahre später erreichen als gar nicht.

Thomas Schmidt: Und selbst dafür müssten wir ganzheitlicher als bisher denken – und eine wirklich durchdachte Strategie verfolgen. Die Energiewende bzw. die Transformation unseres Energiesystems ist sehr komplex. Es besteht in den notwendigen und auch ergriffenen Umbaumaßnahmen eine Vielzahl von Abhängigkeiten. Hierbei ist es elementar, diese noch stärker in den Blick zu nehmen, damit man zu einem Optimum aus Geschwindigkeit, Kosten, Akzeptanz und Klimaeffekt kommt. Aus meiner Sicht sind wir noch zu stark in der Einzelbetrachtung bzw. in der Verfolgung von Partikularinteressen unterwegs und laufen damit Gefahr, dass die Systemkosten für den Umbau nicht beherrschbar sind und evtl. nicht finanziert werden können. Nach jüngsten Schätzungen belaufen sich die Kosten für den Umbau auf rund 1,2 Billionen Euro bis 2035, ohne dass wir zum jetzigen Zeitpunkt wissen, wo das Geld im Einzelnen herkommen soll. Klar: Ein Staat ist kein Unternehmen, und die Notwendigkeit zur Veränderung im Kontext der Klimaveränderung kann nicht rein ökonomisch betrachtet werden. Aber wenn sich die Politik von der Strategieentwicklung der Ökonomie hier und da was abschauen würde, würde das schon helfen.

Würden wir uns für den Moment auch mal mit weniger zufriedengeben, könnten wir unter dem Strich mehr erreichen.“
Thomas Schmidt

Susanne Haus: Wohl wahr! Aber wir im Handwerk setzen trotz allem aufs Umsetzen und nicht aufs Warten. Und ich finde es gut, dass sowohl die Handwerker als auch ein Unternehmen wie ENTEGA trotz all dieser offenen Fragen ins Handeln finden – und das sogar gemeinsam. Nehmen Sie unser Projekt Effizienz:Klasse. Unter diesem Namen haben wir hier in der Region vor zehn Jahren eine gemeinsame GmbH gegründet. Heute schaffen wir damit für die Kunden einen wichtigen Ausgleich zu den vielen Unklarheiten, die es wegen der zahlreichen Empfehlungen und der häufig wechselnden Anforderungen zum Beispiel bei der Förderung von energieeffizientem Sanieren gibt. Ein echtes „One-Stop-Angebot“ zu allen Fragen rund um Strom, Wärme und Wasser für die eigenen vier Wände.

Thomas Schmidt: Ja, das kann man sicher sagen. Der Erfolg spricht hier für sich. Als wir mit der Beratung anfingen, haben wir das mit zwei Mitarbeitern gemacht, heute sind es schon 30. Der Clou ist: Wir beraten völlig ergebnisoffen und zusammen mit den Handwerksbetrieben. Dazu schauen wir uns jeden individuellen Fall vor Ort an, um herauszufinden, welche energetischen Maßnahmen wirklich sinnvoll sind und in welcher Reihenfolge. So stellen wir sicher, dass nicht am grünen Tisch und an den wirklichen Gegebenheiten vorbei beraten wird. Stattdessen haben wir von Anfang an das ganze Bild vor Augen.

Susanne Haus: Wir können mit gewissem Stolz sagen, wir sind da ziemlich handlungsorientiert – und gleichzeitig auf Höhe der Zeit, was die gerade geltenden Rahmenbedingungen betrifft. Konzeptionelle und praktische Kompetenz gehen hier also Hand in Hand – wie ja überhaupt in unserer Partnerschaft. Auch da, wo es in der Vergangenheit mal gar nicht so einfach war, unsere jeweiligen Zuständigkeiten von­einander abzugrenzen, haben wir am Ende stets eine gute gemeinsame Lösung gefunden: ENTEGA kümmert sich um alle Arbeiten, die vor der Haustüre stattfinden. Das Handwerk übernimmt alles, was hinter dieser Grenze stattfindet. Das hat sich als ideale Aufteilung herausgestellt.

Kreative Macher: Über das historische und aktuelle Potenzial der Zusammenarbeit zwischen Handwerk und ENTEGA sprachen ENTEGA-Vorstand Thomas Schmidt und Handwerkskammer-Präsidentin Susanne Haus im Großen Haus Glückert auf der Darmstädter Mathildenhöhe.
Konzeptionelle und praktische Kompetenz aus einer Hand: Das ist die Idee unserer gemeinsamen Kundenberatung.“
Susanne Haus

Haben denn diese Formen der Kooperation zwischen Energieversorger und Handwerk – besonders in Sachen Kundenberatung – auch außerhalb der Region schon Schule gemacht?

Thomas Schmidt: Erstaunlicherweise nicht! Jedenfalls so viel wir wissen, gibt es ein Projekt wie unsere Effizienz: Klasse nirgendwo sonst in Deutschland. Was wegen des eindeutigen Erfolgs tatsächlich sehr merkwürdig ist.

Susanne Haus: Eigentlich will doch jeder wissen, was er oder sie denn im speziellen Einzelfall nun tun oder lassen soll. Reichen neue Fenster? Brauchen wir eine Dämmung der Kellerdecke oder können wir das später noch machen? Was genau kostet uns die Anschaffung einer Wärmepumpe? Es ist doch äußerst hilfreich, wenn all diese Fragen zuverlässig und klar an einer einzigen kompetenten Stelle beantwortet werden.

Thomas Schmidt: Zumal ja nicht nur die Komplexität der Anforderungen und Regulierungen immer weiter zunimmt. Auch die Technologien selber werden immer anspruchsvoller. Eine Heizungsanlage ist ja heute vor allem ein Computer.

Auch im Handwerk werden sich Digitalisierung und Künstliche Intelligenz immer stärker durchsetzen.“
Susanne Haus

Susanne Haus: Und das ist erst der Anfang. Ich bin ganz sicher, dass sich auch im Handwerk Digitalisierung und Künstliche Intelligenz in den kommenden Jahren immer stärker durchsetzen werden. Richtig ist zwar: Ein Installateur oder Tischler ist natürlich weitaus schwieriger durch eine KI-Maschine zu ersetzen als ein Buchhalter oder ein Immobilienmakler. Aber wir sehen ja schon jetzt: Ohne IT-Kompetenz kommt auch ein Handwerksbetrieb kaum noch aus. Und auf den entsprechenden Messen werden bereits Roboter angekündigt, die nicht nur recht komplexe handwerkliche Aufgaben erfüllen können, sondern auch ständig dazulernen. Genau wie Auszubildende schauen diese modernen Helfer ihren Lehrmeistern bei der Arbeit über die Schulter und speichern ab, wie man zum Beispiel eine Spülvorrichtung im WC installiert oder die Pfannen auf dem Dach fachmännisch verlegt.

Thomas Schmidt: Aber auch damit wird dem Handwerk die Arbeit so schnell nicht ausgehen, wenn ich es richtig sehe. Um Zuverlässigkeit und Effizienz der neuen Energiesysteme zu gewährleisten, kommt es ja nach wie vor auf hohe Qualität der handwerklichen Arbeit an. Und das erfordert nicht nur entsprechende Standards, sondern auch die zugehörigen Kontrollen.

Viele Menschen sind bereit, ihren Teil zur Energiewende beizutragen.“
Thomas Schmidt

Susanne Haus: Das zum einen. Zum anderen sind auch die Anforderungen der Kunden hochindividuell. Gerade bei der energetischen Sanierung und auch im energieeffizienten Neubau wird das deutlich. Da sind eigentlich keine zwei Projekte identisch. Und unsere Aufgabe ist es, allen Anforderungsprofilen gerecht zu werden. Da gibt es Eigenheimbesitzer, die bereit sind, für ein klima- und umweltgerechtes Haus sehr viel Geld zu investieren. Und es gibt diejenigen, die weniger wirtschaftlichen Spielraum haben, aber dennoch nicht untätig bleiben wollen.

Thomas Schmidt: Das erleben wir in unserem Austausch mit den Kunden genauso. Auch die Informationsstände sind sehr unterschiedlich. Einige wissen schon sehr genau Bescheid, andere wollen sich erst mal orientieren. Eines haben alle gemeinsam: Sie wollen ihren Teil zur Energiewende beitragen – im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten. Und diese grundsätzliche Entschlossenheit zum Handeln sollten wir eben nicht konterkarieren, indem wir zu schnell zu viel erwarten. Stattdessen zeigt unsere Kooperation mit der Handwerkskammer hier in der Region: Individuelle Beratung und kompetente praktische Unterstützung bei der Umsetzung – das ist genau die richtige Mischung, um die Dinge voranzubringen.

Frau Haus, Herr Schmidt – herzlichen Dank für das Gespräch!