,,Es gibt auch bei uns autoritäre Tendenzen, die mir Sorgen machen.“
Klaus Peter Schellhaas
Herr Schellhaas, was verbinden Sie ganz persönlich mit dem Begriff Freiheit?
P.S. Ich denke dabei sofort an unser Grundgesetz. Darin steht alles, was zu dem Thema wichtig ist. Und was wir leider allzu oft als ganz selbstverständlich hinnehmen: dass wir unsere Persönlichkeit frei entfalten dürfen; dass wir frei sind in unserem Glauben und darin, unsere Meinung zu äußern; dass wir reisen dürfen, wohin wir wollen. All diese Dinge sind aber keineswegs selbstverständlich, wie wir in diesen Tagen schmerzlich erleben müssen. Übrigens nicht nur wegen des Krieges in der Ukraine, sondern auch, wenn man an manche Tendenz in den westlichen Gesellschaften denkt. Es gibt bei uns Menschen, die wollen lieber eine Gesellschaft mit weniger Freiheit für den Einzelnen und mit einer autoritären Regierung. Das macht mir Sorge.
A.N. Mir auch. Zumal ich denke, dass darunter nicht wenige Menschen sind, die eigentlich nur eins wollen, nämlich Sicherheit. Leider halten das aber viele für das Gegenteil von Freiheit. Und machen damit einen folgenschweren Fehler. Denn frei handeln kann nur, wer sich sicher sein kann, dass für die wichtigen Dinge im Leben gesorgt ist: für ein Dach über dem Kopf zum Beispiel, für ausreichend Essen und Trinken oder für die Gewissheit, dass mein Leben und meine Gesundheit nicht permanenten Angriffen von anderen ausgesetzt sind.
P.S. So ist es. Und ich bin sehr froh darüber, dass ich mit meiner Arbeit als Landrat einen Beitrag dazu leisten kann, diese Sicherheit zu gewährleisten.
Stört es Sie nicht, dass es Bürgerinnen und Bürger gibt, die mit Staat, Politik oder Bürokratie eher etwas ganz anderes verbinden, die da eher an Einschränkung, Gängelung und Regulierung denken: und die finden, dass die ,,öffentliche Hand“ den freien Gang der Dinge behindert?
P.S. Ich verstehe, dass das manchmal so aussieht. Die meisten Menschen kommen mit Recht und Gesetz in Berührung, wenn es darum geht, Grenzen aufzuzeigen. Was dann häufig übersehen wird, ist die Tatsache, dass diese Grenzen dazu da sind, die Freiheit anderer zu schützen. Das ist bei jedem Bauantrag so und bei jedem Infrastruktur-Projekt. Politik ist die Kunst, diese Dinge immer wieder neu in eine Balance zu bringen.
Gelingt das?
P.S. Im Großen und Ganzen ja. Konflikte im Detail gibt es immer. Aber insgesamt ist es genau so, wie Andreas Niedermaier es eben beschrieben hat: Wir haben eine Infrastruktur, die funktioniert und die uns ein freies Leben ermöglicht. Unser Müll wird zuverlässig abgeholt, Kranke werden versorgt, der Linienbus fährt und aus der Steckdose kommt Strom.
,,Mit dem freien Markt haben wir gute und weniger gute Erfahrungen gemacht.“
Andreas Niedermaier
Aber könnte es nicht sein, dass all das noch viel besser und zuverlässiger funktionieren würde, wenn wir diese Dinge viel stärker dem freien Markt überlassen würden?
A.N. Das haben wir ja seit den 1990er- Jahren gemacht. Und seitdem sehr viele Erfahrungen mit Privatisierung und Liberalisierung gesammelt – positive, aber auch weniger positive. Und es ist ja nicht so, als müssten wir diese Diskussion rein theoretisch führen. Es gibt durchaus reales Anschauungsmaterial. Aus den USA zum Beispiel, wo man kommunale Unternehmen wie bei uns kaum kennt.
Und? Sehen Sie Länder wie die USA in Sachen Infrastruktur im Nachteil?
A.N. Ja, in weiten Teilen schon. Es gab dort in den zurückliegenden Jahren immer wieder spektakuläre Stromausfälle, die sogenannten Black Outs. Riesige Städte oder Gebiete standen dabei manchmal für Stunden im Dunkeln. Und wenn Sie sich einmal anschauen, wie dort in weiten Teilen des Landes die Stromleitungen verlegt sind, dann wissen Sie auch, woran das unter anderem liegt. Es ist eben recht teuer, wenn man es so macht wie wir und die Leitungen unter die Erde legt. Bei uns liegt der Verkabelungsgrad im Niederspannungsnetz bei 99 % und im Mittelspannungsnetz bei 97 %. Ein privatwirtschaftliches Unternehmen vermeidet diese Investition, wenn möglich, und erwirtschaftet lieber einen höheren Gewinn. Wir machen das nicht in dieser Form. Und das bedeutet im Ergebnis: Mehr Versorgungssicherheit!
P.S. Und genau darauf kommt es aus Sicht der Kommunen und Landkreise an. Wir wollen Strom, Wärme und Wasser nicht einfach nur möglichst günstig einkaufen. Wäre das unser einziges Kriterium, wäre wahrscheinlich eine rein marktbasierte Organisation tatsächlich die beste Lösung. Wir wollen aber auch möglichst wenig Risiko. Und da hat sich die Zusammenarbeit mit einem öffentlichen Unternehmen wie ENTEGA ganz einfach bewährt.
Hohes Gut: Gewachsenes Vertrauen zwischen Energieversorger und Kommune sorgt für kurze Wege und Effizienz.
A.N. Zumal wir alles andere als eine „Beamten-Organisation“ sind. Sondern durchaus: ein freies Unternehmen in einem freien Markt. Wir sind eine Aktiengesellschaft, die voll und ganz den Bestimmungen des deutschen Aktiengesetzes unterliegt. Wir haben in der Vergangenheit mutige unternehmerische Entscheidungen getroffen wie etwa die klare Ausrichtung als Ökostrom-Anbieter. Und wir stehen mit all dem im Wettbewerb: Die Kommunen in unserer Region können ihre Konzessionen auch an andere Unternehmen vergeben, und unsere Privatkunden können mit wenigen Mausklicks und völlig kostenlos zu einem anderen Anbieter wechseln.
P.S. Was für mich als Landrat aber gar keine Option ist. Genauso wie für die meisten meiner Amtskolleginnen und -kollegen in der Region ist für mich völlig klar, dass wir bei einer so grundlegenden Infrastrukturleistung wie der Wasser-, Wärme- und Energieversorgung mit einem Partner zusammenarbeiten wollen, der uns kennt und den wir kennen, und dass wir an unserer Seite nicht nur ein Unternehmen haben wollen, das uns die erforderliche Sicherheit bietet, sondern das auch sonst zu unseren politischen Zielen passt, etwa wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht. ENTEGA liefert Öko-Strom aus eigener Produktion. ENTEGA ist ein Arbeitgeber, auf den sich die Menschen verlassen können. Und ENTEGA unterstützt das soziale Leben in den Städten und Gemeinden hier auf vielfältige Art. Das ist ein Gesamtpaket und lässt sich nicht einfach durch einen Griff ins Supermarktregal ersetzen.
,,Das ENTEGA-Angebot lässt sich nicht einfach durch einen Griff ins Supermarkt- Regal ersetzen.“
Klaus Peter Schellhaas
Nehmen Sie als Landkreis auch deshalb die neuen Möglichkeiten der kommunalen Beteiligung wahr?
P.S. Ja, das ist für uns ein ganz klares Bekenntnis zur ENTEGA und zum Prinzip der kommunalen Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand. Wir unterstreichen damit die besondere Verbundenheit, von der ich eben gesprochen habe, und bekräftigen unser Vertrauen in die Sicherheit der Versorgung.
A.N. Und man sieht daran auch ganz deutlich, woran wir uns als Unternehmen messen lassen. Nämlich an genau diesem Vertrauen unserer kommunalen Partner. Sie sind von den Bürgerinnen und Bürgern auf demokratische Weise dafür gewählt, dass sie ihnen ein Leben in Sicherheit und Freiheit ermöglichen. Dabei helfen wir. Und nur wenn das dauerhaft gelingt, haben wir unsere Arbeit gut erledigt. Es ist deshalb richtig, dass die Kommunen und Landkreise über das neue Beteiligungsmodell auch Einfluss nehmen können auf unsere unternehmerischen Entscheidungen.
,,Es geht bei uns um sichere Daseinsvorsorge.
Und zwar für alle.“
Andreas Niedermaier
Fühlen Sie sich dadurch nicht manchmal in ihrer unternehmerischen Freiheit beeinträchtigt?
A.N. Nein. Das wäre nur der Fall, wenn wir als Unternehmensleitung auf der einen Seite und unsere Anteilseigner auf der anderen Seite unterschiedliche Auffassungen vom unternehmerischen Charakter der ENTEGA hätten. Wir sind uns aber einig: Es geht bei uns nicht in erste Linie darum, den Gewinn von Jahr zu Jahr ins Unermessliche zu steigern. Das unterscheidet uns von einer börsennotierten Aktiengesellschaft. Sondern: Es geht bei uns um sichere Daseinsvorsorge. Und zwar für alle. Also auch für diejenigen, die vielleicht ihre Arbeit verloren haben und deshalb plötzlich die Stromrechnung mal vorübergehend nicht bezahlen können. Da liefern wir trotzdem Energie, Wasser und Wärme – auch, wenn unsere Preise deshalb manchmal ein bisschen höher sein müssen als bei manch einem Billiganbieter auf dem Markt. Aber da sagen wir: Das sind gerechtfertigte Kosten. Sie sind auch ein Stück gelebter Solidarität, ein Beitrag zum sozialen Zusammenhalt und damit letztlich gegen gewisse Radikalisierungen in der Gesellschaft, über die wir am Anfang gesprochen haben.
P.S. Und die allgemeine Entwicklung bestätigt ja diesen Kurs: Seit Beginn des Jahrtausends haben rund 400 Städte, Gemeinden, Landkreise und Kommunen zwischenzeitlich privatisierte Teile der Grundversorgung wieder zurückgekauft. Und mehr als 150 Städte und Gemeinden haben eigene Stadtwerke neu gegründet. Rekommunalisierung lautet das Stichwort. Das würde ja nicht passieren, wenn die öffentlichen Aufgaben im Rahmen einer rein privatwirtschaftlichen Organisation besser gelöst worden wären – und wenn sich dadurch die Freiheitsspielräume für die gewählten Entscheiderinnen und Entscheider erhöht hätten.
Herr Niedermaier, Herr Schellhaas – vielen Dank für das Gespräch.